Notfunk-Schichtenmodell

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DocEmmettBrown
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Notfunk-Schichtenmodell

#1

Beitrag von DocEmmettBrown »

Hallo zusammen (und für die Schweizer: Hallo zämä)!

Dem einen oder anderen ist das ISO/OSI-Schichtenmodell vielleicht ein Begriff. Dieses kann man eigentlich recht gut auf eine Notfunkanwendung adaptieren und dies empföhle sich sogar. Täte man dies, könnte vielleicht so etwas dabei herauskommen:
  • Meldungsschicht
  • Meldungsprotokollschicht
  • Routing
  • Geräteschicht (gerätespezifische Merkmale)
  • Netzwerkschicht
Ich gehe jetzt von unten, der niedrigsten Schicht, nach oben:
Die Netzwerkschicht ist nichts anderes als das gewählte Transportmedium. Bei einem Komplettausfall der Netzinfrastruktur sind das nur noch Funk und Übermittlung durch z.B. Boten. Die Boten interessieren uns hier etwas weniger, für unseren Fall interessant sind das also besonders CB, Freenet, PMR, Satellitentelephon und AFu mit jeweils unterschiedlichen Reichweiten, wobei diese unterschiedlichen Reichweiten durchaus nützlich sein können.

Die Geräteschicht sind die jeweiligen Funkgeräte mit unterschiedlichen Merkmalen. Die Merkmale müssen natürlich so gewählt sein, daß sich Station A und Station B miteinander unterhalten kann. Bei PMR sollten also die Subtöne entweder gleich oder am besten ganz abgeschaltet sein. Ansonsten kann sich jede Station X mit jeder Station Y dieser Schicht unterhalten, weil alle auf dieselbe Netzwerkschicht aufbauen. Oder anders: Innerhalb dieser Schicht ist das Band immer gleich.

Beim Routing gibt es einen trivialen Fall, daß eine Station A eine Meldung für eine Station B hat und diese auch direkt erreichen kann. Komplizierter wird es, wenn das Ziel nicht direkt erreicht werden kann, sondern mindestens eine oder sogar mehrere Zwischenstationen nötig werden. Dann müssen diese Zwischenstationen in der Lage sein, eine Meldung möglichst verlustarm (man denke hier an die berühmte stille Post) zu übertragen und die Meldung an den jeweils nächsten Hüpfer (engl. "hop") übermitteln. Der nächste Hop muß dazu natürlich bekannt sein, sonst ruft die Station A möglicherweise Station B auf, die Meldung weiter zu geben, obwohl für die Weitergabe eigentlich die Station C richtig wäre. Je mehr Hops nötig sind, umso komplexer wird das ganze.

Damit uns die Lust an der Freude nicht vergeht, kann es dabei nötig sein, im Schichtenmodell wieder nach unten auf die Netzwerkschicht zu gehen, um die weitere Übermittlung zu tätigen, nämlich genau dann, wenn das Ziel in der eigenen Schicht nicht erreicht wird. Bei einem überregionalen Blackout könnte z.B. eine Station in Karlsruhe eine andere in Stuttgart mit PMR446 nicht erreichen. Sie bräuchte also einen Umsetzer, der die Meldung dann auf CB weitergibt, vielleicht mit Zwischenschritten in Pforzheim und Mühlacker, und am Ende von CB wieder nach PMR446 umsetzt.

Die Meldungsprotokollschicht setzt unmittelbar auf das Routing auf und enthält einfach Daten wie die Quelle, das eigentliche Ziel (Person, Behörde, Organisation), Uhrzeit und solchen Kram. Auch reine Statusmeldungen gehören dazu wie z.B. "Station X ist nicht mehr erreichbar", wonach das Routing geändert werden muß. Hier ist es auch noch wichtig, ob die Nichterreichbarkeit nur temporär ist (Keramik-QSO) oder endgültig (Akkus platt).

Die Meldungsschicht enthält nun die eigentliche Meldung. So könnte ein Bürger in Karlsruhe für die betagte und schon demente Nachbarin die Tochter in Stuttgart fragen lassen, wo die Tabletten sind. Mit der o.g. Kette sollte eine Übermittlung auch über eine größere Distanz sicher möglich sein.

Nun das Problem
Die Meldungsschicht dürfte relativ trivial und mit dem deckungsgleich sein, was wir heutzutage auch per Telephon nachfragen könnten. Sie bedarf eigentlich keiner gesonderten Erklärung. Die Netzwerkschicht ist für Funker auch trivial. Bei der Geräteschicht gilt eigentlich genau das gleiche, zumindest dann, wenn man weiß, wie man seine Subtöne (falls vorhanden) ausschaltet. Wirklich komplex wird das Routing, zumal es nicht nur nötig zu wissen ist, in welcher HF-Richtung (nicht zwingend Himmelsrichtung) der nächste Hop ist, sondern auch, ob ein Wechsel der Netzwerkschicht erforderlich ist (z.B. weil von KA aus PF nicht mit PMR446 erreichbar ist).

Lösungsansatz im Routing
Eine absolute Notwendigkeit beim Routing ist die absolute Eindeutigkeit aller Rufzeichen, die im Notfunksystem verwendet werden, zu jedem Zeitpunkt. Dazu ein Beispiel:

Nehmen wir an, es gibt in KA mehrere, notfunkfähige NF-CB-Stationen (NF wie Notfunk), die andere erreichen können. Dann muß innerhalb der NF-CB-Netzwerkschicht jede NF-CB-Station eindeutig zu benennen und zu erreichen sein vergleichbar wie bei Telephonnummern. Damit wäre NF-CB gewissermaßen so eine Art NF-Backbone. Innerhalb einer Ortschaft könnte es nun verschiedene NF-PMR-Rufzeichen geben. Diese müßten überregional gesehen eigentlich nicht zwingend eindeutig sein (lokal natürlich schon), aber ich empföhle es dennoch dringend, weil es den Datenverkehr ganz erheblich vereinfacht. Am besten wäre ein Modell wie bei Telephonnummern mit Anschlüssen (das sind die NF-PMR-Stationen) und, sobald es überregional geht, mit der bekannten Verkehrsausscheidungsziffer ("0"). Damit hält man die Rufzeichen lokal schön kurz und muß sie erst überregional verlängern. ;)

Stromversorgung beim Routing
Wenn eine bestimmte Meldung von der Quelle zum Ziel geroutet werden soll, dann müssen die Stationen dazwischen wissen,
  1. welches der nächste Hop ist
  2. ob ein Netzwerkschichtwechsel durchgeführt werden muß.
Wollte man sich das alles in einer Datenbank hinterlegen, die bei leerem Akku nicht mehr zugänglich ist, hätte man mit Zitronen gehandelt. Das System muß also einfach, narrensicher und vor allem energiefrei sein. Die Lösung könnten dabei GPS-Daten der NF-Stationen sein, die einen groben Hinweis dafür geben, in welche Himmelrichtung eine Meldung gesandt werden muß. Eine auf Papier ausgedruckte Karte sollte dann hinreichend sein, um eine Meldung in die richtige Richtung zu übermitteln.
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DocEmmettBrown
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Re: Notfunk-Schichtenmodell

#2

Beitrag von DocEmmettBrown »

Meine Empfehlung wäre daher folgende:
Jedes Rufzeichen gibt unmittelbaren Aufschluß auf seine GPS-Daten, einfach weil die GPS-Daten bereits Teil des Rufzeichens sind. Nach dem WSG84 kann man seinen Staat in große und kleinere Quadrate unterteilen. Ruft eine Station A eine Station B, kann sie bereits am Rufzeichen erkennen, in welche Richtung sie senden muß (nächster Hop) und dieser kann ggf., falls er dazu die Möglichkeit hat, erkennen, daß ein Netzwerkschichtwechsel nötig ist, und diesen durchführen. Es wäre nur zwingend notwendig, den Teilnehmern einzuschärfen, den NF-CB-Backbone nur dann zu belasten, falls das Ziel mit Ortsfunk nicht erreicht werden kann, und auch wirklich nur dann.

Eine Triage, wie andere fordern, findet natürlich nicht statt. Warum nicht? Dazu müßte man erst einmal Meldungen sammeln und die Entscheidung vertagen. Natürlich tut man das nicht, sondern leitet jede Meldung sofort weiter oder verwirft sie bei Kokolores. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit muß hoch sein. Das wird dadurch erreicht, daß man den Melder so weit wie möglich entlastet. Alles, was sinnlos ist, wird nicht gemacht. Höflichkeiten gibt's auch keine so wie beim BOS-Funk. In Deutschland gilt als Sprache Deutsch, aber in der Schweiz, um mal dieses Beispiel zu nennen, wird es beim Funkverkehr über den Röstigraben hinweg schon komplizierter.

Ein Notfunksystem zu planen, welches auch überregional funktioniert, ist wesentlich komplizierter, als sich die meisten das hier vorstellen können. Bei nur 3, 4, 5 NF-Stationen ist das noch trivial, aber sollten irgendwann mal pro Stadt fünf oder zehn CB-Stationen und nochmal fünfzig bis hundert PMR-Stationen daran teilnehmen wollen, wird da ohne Planung nichts funktionieren oder nur mit ganz erheblichen Effizienzverlusten. Soll damit gar ein europaweiter Blackout aufgefangen werden, wird es abermals komplizierter: Das Routing an sich funktioniert auch über Staatsgrenzen hinweg, aber bei der fernmündlichen Weitergabe einer Meldung sollte der Melder der anderen Sprache mächtig sein. Meldet z.B. ein Pole aus Warschau z.B. "Gdzie są tabletki serca?" an ein Ziel in Frankreich über Zwischenstationen, dann müssen die Deutschen und Franzosen in der Lage sein, einen polnischen Text verstehen, aufschreiben und weitergeben zu können. Ohne Verständnis der polnischen Sprache wird das nicht möglich sein.

Der o.g. Text sollte nur mal einen kleinen Einblick geben. Hier ist noch nicht einmal eine Bestätigung eingeplant. Das heißt, eine Zivilist, der dieses System in Anspruch nimmt, weiß nicht einmal, ob seine Nachricht erfolgreich übermittelt oder unterwegs irgendwie verloren gegangen ist. Das könnte dazu führen, daß unser ungeduldiger Karlsruher noch dreimal nachfragt, wo denn nun die Tabletten in der Wohnung verscharrt sind, und damit das System unnötig stark belastet. Um dies zu lösen, bedürfte es eines Bestätigungsprotokolls. (Das ist nicht sehr schwierig, nur ausarbeiten muß man's halt.) Außerdem darf das System nicht zu sehr hobbyfunklastig sein, denn sonst können Zivilisten nicht mehr daran teilnehmen, nur weil sie nicht wissen, was "CQ" bedeutet. ("CQ" hat in einem NF-System sowieso nichts zu suchen.) Wie man mit Störern und Witzbolden umgeht und Falschnachrichten ausfiltern kann ist auch noch völlig unklar (ein CRM 114 haben wir ja nicht zur Verfügung).

Meiner Ansicht nach sollte man sich beim Notfunk zu gewissen Teilen am BOS-Funk orientieren. Alle Fragen, die Routing betreffen, sollten Netzwerker beantworten. (Bevor jemand fragt: Nein, ich bin kein Netzwerker. :sdown: Und BOS hatte ich damals auch nur ganz wenig auf 2 m gemacht.) Einfach deswegen, weil diese Gruppen sich am besten damit auskennen. Mehrere Gruppen könnten gemeinsam in einigen Monaten eine erste Rohfassung eines Betriebsmodells ausarbeiten. Aber spätestens sobald dabei eine Sprachgrenze überschritten wird, wird es hochgradig kompliziert.

Aber was sich da manche kleinen Städte ausdenken, man könnte so etwas einfach mal nebenher in 2-3 Tagen aus dem Ärmel schütteln, das spottet schon jeder Beschreibung. :lol:

73 de Daniel
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Fensterbrettfunker
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Re: Notfunk-Schichtenmodell

#3

Beitrag von Fensterbrettfunker »

Ich schieb´das mal hoch, da mMn interessante, und v.A. mal ganzheitliche Ansätze.
DocEmmettBrown hat geschrieben: Mi 2. Nov 2022, 04:32 Jedes Rufzeichen gibt unmittelbaren Aufschluß auf seine GPS-Daten, einfach weil die GPS-Daten bereits Teil des Rufzeichens sind.
Naja, welcher Hobbyfunker gibt schon gerne seine exakten Daten preis? Die Gründe liegen auf der Hand: Man möchte sich Aluhutträger, BNA, Vandalismus, im Ernstfall Plünderungen und sonstigen potentiellen Ärger vom Hals halten.
Andererseits haben sich ja nicht Wenige mit ihrer Adresse in der Soester Liste registriert. Ob diese Angaben stimmen, oder sich mancheiner deswegen gar gegen eine Registrierung entschieden hat? Ich vermag es nicht zu sagen, hätte da aber so meine Bedenken.

Jetzt auch mit PMR :!:
CB eher passiv. Sind ja alle nur noch auf Weitverbindungen aus, und da möchte ich nicht stören.
Freenet bevorzugt.

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DocEmmettBrown
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Re: Notfunk-Schichtenmodell

#4

Beitrag von DocEmmettBrown »

Fensterbrettfunker hat geschrieben: Mi 2. Nov 2022, 17:06
DocEmmettBrown hat geschrieben: Mi 2. Nov 2022, 04:32 Jedes Rufzeichen gibt unmittelbaren Aufschluß auf seine GPS-Daten, einfach weil die GPS-Daten bereits Teil des Rufzeichens sind.
Naja, welcher Hobbyfunker [...]
Nee, Du bist in diesem Fall kein "Hobbyfunker" mehr, sondern ein Notfunker. Ohne genaue Kenntnis des Standorts kann Notfunk nicht funktionieren, denn wie willst Du z.B. die Feuerwehr rufen, wenn Du nicht weißt, welche Station in der Nähe ist? Du kannst ja schlecht rufen: "Ich habe hier eine Meldung für die Feuerwehr in Klein-Kleckersdorf [...]" und jeder, der Dich hört, meint sich berufen zu fühlen, genau diese Nachricht weiterzugeben. Damit verstopfst Du das ganze Notfunksystem. Für die Auswahl des richtigen Wegs ist eine Ortskenntnis aber unverzichtbar, weil Du gezielt (!) den nächsten Hop rufst.

Übrigens: Die genauen Stationsorte wissen ja nur die Notfunker selbst und, wenn es soweit ist, die unmittelbaren Anwohner der "Leuchttürme", die dann ihr Plakat aus dem Fenster hängen. Das heißt, der Aluhutträger, die vor Ort ist, kriegt das sowieso mit (wegen Leuchtturm) und überregional müßte er mit dem Restbenzin, was er noch im Auto hat, erst mal die ganze Republik "crawlen", um diese Information zu erhalten. ;)

73 de Daniel
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