Bundeswehr Funktechnik

gernstel
Santiago 7
Beiträge: 668
Registriert: Sa 24. Mai 2008, 10:47

Bundeswehr Funktechnik

#1

Beitrag von gernstel »

Wenn die OW mal wieder über Ausgaben für Funkgeräte meckert:
Sollte ein Grundgerät ursprünglich 48.000 Euro kosten, wird im aktuellen Vertrag ein Preis von 78.000 Euro genannt. Mit allen erforderlichen Zusatzgeräten wird ein neues Funkgerät bis zu 210.000 Euro kosten. Das Verteidigungsministerium wollte sich zu dem Preisanstieg nicht äußern.
aus: Rechnungshof kritisiert neue Bundeswehr-Funkgeräte - Meldung vom 20.05.2017 auf http://www.focus-magazin.de/exklusivmeldungen

Und wie das heute überhaupt so gehandhabt wird, kann man hier nachlesen:
Gefährliche Funkstörung - http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... ete-motako

Ich geh jetzt mal shoppen :shock: :mrgreen:
Benutzeravatar
DocEmmettBrown
Santiago 9+30
Beiträge: 7614
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 02:37
Standort in der Userkarte: nein

Re: Bundeswehr Funktechnik

#2

Beitrag von DocEmmettBrown »

gernstel hat geschrieben:Wenn die OW mal wieder über Ausgaben für Funkgeräte meckert:
Sollte ein Grundgerät ursprünglich 48.000 Euro kosten, wird im aktuellen Vertrag ein Preis von 78.000 Euro genannt. Mit allen erforderlichen Zusatzgeräten wird ein neues Funkgerät bis zu 210.000 Euro kosten.
:shock: :wall:

Für ein einziges Gerät? Ok, das ist eine eierlegende Wollmilchsau, kömmt mir aber dennoch leicht hochpreisig vor. :sdown:

73 de Daniel
Benutzeravatar
Yeti705
Santiago 4
Beiträge: 258
Registriert: So 19. Jun 2016, 21:09
Standort in der Userkarte: 57339 Erndtebrück
Wohnort: 57339 Erndtebrück
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#3

Beitrag von Yeti705 »

Tja, im Verteidigungsbudget gehen solche Wuchereien schnell neben viel gewichtigeren Beträgen unter, deswegen langt die Wirtschaft mitsamt den Rüstungsunternehmen in der Regel ungeniert zu. Sachverstand um das zu hinterfragen ist in der politisch entscheidenden Klasse zu wenig vorhanden. Gibt ja auch Alu-Einstiegsleitern für Kampfjets, die manchen Baumarktmodellen nahezu baugleich sind. Nur kostet die Leiter für den Jet runde 7000 Euro, während man die im Baumarkt für unter 100 Euro bekommt. Bei den Bundeswehrfunken dürfte das preislich ein ähnliches Verhältnis zu gleichwertiger bzw. gängiger Technik aus der zivilen Wirtschaft sein.
73, Andreas (DO3ANK/Yeti705/13HN573), https://www.yeti705.de
AFU: IC-7300+SM-30, FT-857D+MD-100, FTM-7250D, TYT TH-7800, CRT Micron, GD-77
CB/Freenet/PMR: Grant 2 Premium, SS 3900 Multi, AE6290 Vox, CRT Xenon, Lafayette Urano, Team Mico, TeCom Duo
Benutzeravatar
DocEmmettBrown
Santiago 9+30
Beiträge: 7614
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 02:37
Standort in der Userkarte: nein

Re: Bundeswehr Funktechnik

#4

Beitrag von DocEmmettBrown »

Halten die BW-Büchsen denn wenigstens was aus? So'n Panzer ist ja nicht gerade komfortgefedert und da sollten die Bauteile möglichst nicht von der Platine hopsen, wenn der Panzer in ein Schlagloch rumpelt.

Man könnte natürlich auch einfach alles mit Wachs vergießen. :mrgreen:

73 de Daniel
gernstel
Santiago 7
Beiträge: 668
Registriert: Sa 24. Mai 2008, 10:47

Re: Bundeswehr Funktechnik

#5

Beitrag von gernstel »

Es steckt vermutlich schon ein bischen Technik drin, im verlinkten Artikel steht was zu lesen von verschiedenen Funkanbindungen fuer verschiedene Zwecke, z.B. Nahbereich, Satellit usw.

Und robust ist solche Technik oft bis zur Unbrauchbarkeit. Da kommt das Heereswaffenamt und fordert die Ueberfahrbarkeit mit einem Panzer. Zack, ist das Handfunkgeraet 10 kg schwerer. Dann kommt die Marine und fordert Wasserdichtigkeit bis 200 m Tauchtiefe. Zack, ist das Display hinter 5 cm dickem Glas kaum noch erkennbar, werden aus Drehknoepfen schwerstgaengig gedichtete Drehschalter usw. Und dann kommt die Luftwaffe und fordert eine Heliumfuellung :-)
Benutzeravatar
ax73
Santiago 9+15
Beiträge: 2219
Registriert: Di 3. Nov 2015, 21:45
Standort in der Userkarte: Hannover

Re: Bundeswehr Funktechnik

#6

Beitrag von ax73 »

Ich erinnere mich noch an die Einführung des VW Iltis zu meiner Zeit bei der Bundeswehr. Vorgänger waren (geländegängig) der DKW Munga und der VW Kübel/181. Das Ding war einfach zu nichts zu gebrauchen. Volkswagen hat damals horrende Entwicklungskosten auf den Preis umgeschlagen. Ich weiß nicht mehr wieviel die Totgeburt gekostet hat aber es war ein ähnlicher Hammer wie weiter oben genannt.
Ende von Lied war daß der teuere Haufen Fahrzeuge seine Zeit bis zur Ausmusterung in der Truppe abstand während man nun einfach
andere Fahrzeuge anschaffte die sich in anderen Armeen schonmal bewährt hatten.

Aus dieser Erfahrung von vor inzwischen bald 40 Jahren scheint niemand in unserer Wehrtechnikbeschaffung Konsequenzen gezogen zu
haben. Wird Zeit daß da mal wer aufräumt. Immerhin sind es nicht wenige Menschenleben die vom Funktionieren der Armeeausrüstung
direkt abhängen.
Einige meiner Beiträge werden in einem anderem Kontext präsentiert als von mir authorisiert und beabsichtigt.
Benutzeravatar
DocEmmettBrown
Santiago 9+30
Beiträge: 7614
Registriert: Sa 3. Jan 2015, 02:37
Standort in der Userkarte: nein

Re: Bundeswehr Funktechnik

#7

Beitrag von DocEmmettBrown »

ax73 hat geschrieben:Wird Zeit daß da mal wer aufräumt.
Mit dem Aufräumen haben sie die Tage bereits begonnen und die böööse letzte Rotkreuz-Fahne aus dem Bundeswehrkrankenhaus niedersächsischen Westerstede entfernt. :wall:

73 de Daniel
guglielmo
Santiago 8
Beiträge: 958
Registriert: Do 22. Sep 2016, 09:24
Standort in der Userkarte: Norderstedt
Wohnort: Norderstedt
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#8

Beitrag von guglielmo »

Vor etwas mehr als zwanzig Jahren habe ich mal einen Rüstungsbetrieb als Bewerber für eine Stelle als Entwickler von Prüf- und Simulationssystemen besucht. Gefertigt und Entwickelt wurden Navigationssysteme für Flugzeuge und andere unbemannte Flugobjekte. Der Aufwand, der betrieben wurde um gerade die Anforderungen an mechnische Robustheit und elektromagnetische Störsicherheit zu gewährleisten, war immens. Das ging sogar so weit, das dort eigene, spezielle Bausteine mit intgrierten Schaltkreisen entwickelt und auch produziert wurden. Ob das noch heute so ist kann ich nicht sagen. Mittlerweile ist der Bereich der Kommunikations- und Informationstechnik so weit voran geschritten, das zivile Produkte militärischen Produkten um nichts mehr nachstehen müssen. Das gilt für die Robustheit genauso wie für die Störsicherheit. Erfahren habe ich davon, das heutzutage z.B. Steuerstände für militärische Drohnen aus IT-Produkten für den normalen Industriebedarf ausgestattet werden. Militärische Funkgeräte haben mit Sicherheit hohe Anforderungen an die digitale Kommunikation und deren Verschlüsselung. Die Basistechnologie ist mit Sicherheit nichts besonderes. Jedoch das Zusammenspiel von Funk-, Netzwerk- und Verschlüsselungstechnologien. Das Zauberwort heist wohl Systemintegration und bildet den eigentlichen Mehrwehrt den sich die Industrie auch teuer bezahlen lässt. Ich gehe jedoch davon aus, das fast alle Komponenten, die dort integriert werden auch von der Stange erhältlich sind.
Aberglaube bringt Unglück
Wolf
Santiago 9
Beiträge: 1446
Registriert: Sa 10. Dez 2005, 21:33
Standort in der Userkarte: Duisburg Rheinhausen
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#9

Beitrag von Wolf »

Rohde & Schwarz und Rheinmetall haben sich da richtig reingekniet und ein Joint-Venture gegründet:

https://www.rheinmetall.com/de/rheinmet ... _11008.php

Gruß
Wolf :-)
"Viele denken quer, weil sie's geradeaus nicht hinkriegen" (Dieter Nuhr)
Benutzeravatar
Bobby1
Santiago 9
Beiträge: 1012
Registriert: Do 29. Sep 2005, 01:03
Standort in der Userkarte: Bornum am Harz
Wohnort: JO51BX

Re: Bundeswehr Funktechnik

#10

Beitrag von Bobby1 »

Mir fällt dann noch auf daß für 50 Fahrzeuge Einbaukosten von 27 Millionen € anfallen, das sind 540000€ allein als Ein-und Umbaukosten pro Fahrzeug! :angry:
Zusammen mit den 210000€ für das Funkgerät also 750000€. Oder sind da ein paar Mittelstreckenraketen als "Dreingabe" inclusive?
Wolf
Santiago 9
Beiträge: 1446
Registriert: Sa 10. Dez 2005, 21:33
Standort in der Userkarte: Duisburg Rheinhausen
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#11

Beitrag von Wolf »

Weitere bruckstückhfte Infos zu dieser Geschichte hat das "Neue Deutschland" veröffentlicht:

https://www.neues-deutschland.de/artike ... welle.html

Zur Rolle von Rohde & Schwarz und der Abhängigkeit von diesem Unternehmen schreibt das Blatt u.a.:
  • "Bei den softwarebasierten Funkgeräten spielen sogenannte Wellenformen eine wichtige Rolle. Das BMVg verzichtet auf eigene und will die des Anbieters kaufen. Der jedoch »wird seine Wellenformen und das damit erarbeitete Know-how Mitbewerbern nicht zur Verfügung stellen«, merken die Vertragsprüfer des Bundesrechnungshofes in einem geheimen Bericht an. Daher wird das Militär »weitere Funkgeräte auch nur bei diesem Auftragnehmer kaufen können«. Andere Anbieter von Funkgeräten, die womöglich billiger und besser wären, bleiben ausgeschlossen. Man ist also auf Jahrzehnte an Rohde & Schwarz gebunden und durch unkündbare Kettenverträge erpressbar. Die Firma dagegen braucht keine Konkurrenz zu fürchten. Sie ist letztlich Herr der Preise."
Gruß
Wolf :-)
"Viele denken quer, weil sie's geradeaus nicht hinkriegen" (Dieter Nuhr)
guglielmo
Santiago 8
Beiträge: 958
Registriert: Do 22. Sep 2016, 09:24
Standort in der Userkarte: Norderstedt
Wohnort: Norderstedt
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#12

Beitrag von guglielmo »

Ich habe mir von der Bundeswehr-Uni folgendes Skript kurz angeschaut. Dort ist alles wesentliche Erläutert.

https://www.unibw.de/rz/dokumente/publi ... tid=public

Die Anforderungen gehen schon etwas über unseren Amateurfunkbedarf hinaus. Es geht hier nicht nur um die Verschlüsselung digitaler Informationen sondern auch um hohe Bandbreite zum Betrieb vieler Kanäle gleichzeitig und der Erhöhung der Störsicherheit durch häufigen Frequenzwechsel. Dennoch bleibt es zu hinterfragen ob dieser Aufwand zu rechtfertigen ist. So gibt es auch hervorragende Möglichkeiten breitbandig zu stören. Außerdem sollten doch solche Funksysteme auch mit anderen Streitkräften der NATO kompatibel sein. Ein solches Projekt für alle Teilnehmer währe sicherlich kostengünstiger und sinnvoller zu realisieren. Im Grunde gibt es häute keine Gründe mehr propritäre Technologien einzusätzen. Auch für die Geheimhaltung nicht.
Aberglaube bringt Unglück
gernstel
Santiago 7
Beiträge: 668
Registriert: Sa 24. Mai 2008, 10:47

Re: Bundeswehr Funktechnik

#13

Beitrag von gernstel »

So gibt es auch hervorragende Möglichkeiten breitbandig zu stören.
Und das schon für den kleinen Mann:

Für eine lokale Reichweite und Kurzwelle: PLC-Modem
Für eine regionale Reichweite und Kurzwelle: PLC-Modem ergänzt um "Nachbrenner".

:seufz:

Aber interessanter Fund! Damit ist auch der Begriff "Wellenformen" geklärt.
guglielmo
Santiago 8
Beiträge: 958
Registriert: Do 22. Sep 2016, 09:24
Standort in der Userkarte: Norderstedt
Wohnort: Norderstedt
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#14

Beitrag von guglielmo »

Na ja, wer zu breitbandig stört behindert auch seine eigenen Funkanwendungen. Der Ausweg währe Funk auf der Basis von Neutrinos. So etwas gibt es noch nicht. Wer hier Bock auf den Physik-Nobellpreis hat, kann ja mal schnell so eine Anwendung entwickeln.
Aberglaube bringt Unglück
DL 4 FCY
Santiago 5
Beiträge: 352
Registriert: Mo 29. Apr 2013, 18:53
Standort in der Userkarte: 60437 Frankfurt
Kontaktdaten:

Re: Bundeswehr Funktechnik

#15

Beitrag von DL 4 FCY »

Ich habe mich während meiner Wehrdienstzeit seinerzeit auch über die "leicht überzogenen" Kosten für , in diesem Fall, Funkgeräte (damals SEM 25 und 35) gewundert. Irgendwann hat mir das mal ein Vorgesetzter so erklärt:
Im Rahmen der Ausschreibung für neue Ausrüstungsgegenstände (z.B. Funkgeräte) kommt irgendwann der Punkt, an dem die verbleibenden Bewerber Prototypen oder sogenannte Nullserien herstellen und zur Prüfung an die BWB (damals Bundesstelle für Wehrbeschaffung in Bad Neuenahr-Ahrweiler) liefern müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind aber schon mehrere tausend Ingenieurstunden für die Planung und Entwicklung dieser Geräte und des entsprechenden Zubehörs aufgelaufen. Und diese Kosten werden dann auf das entsprechende Baulos (=geplante Stückzahl, die in der Ausschreibung drinsteht) umgelegt. Dazu kommt noch, daß diese Geräte exklusiv für die Bundeswehr/NATO hergestellt werden, d.h. die Geräte und das Zubehör werden AUSSCHLIESSLICH nur dorthin verkauft. Wenn alles gut läuft und sich die Geräte im Einsatz bewähren, wird ggf. noch ein zweites, drittes, viertes... Baulos nachgeschoben. Dann kann es passieren, daß diese Geräte etwas günstiger sind, weil die Entwicklungskosten ja durch das erste Baulos schon hereingeholt wurden. Außer der reinen Produktion der Geräte muß der jeweilige Hersteller dann aber auch noch garantieren, daß er X Jahre lang Ersatzteile liefern kann, und daß ggf. Baugruppen bei Seriendefekten auch wärend der Produktion modifiziert werden. Natürlich gilt dies alles für fast alle Wehrartikel, von der Unterhose bis zum Kampfpanzer.
73,
Klaus, DL4FCY
Antworten

Zurück zu „Technik allgemein“